Das Foto zeigt einen ausgewachsenen, weiblichen Wolf im Gehege eines Tierparks. Dort, wo der Wolf in freier Wildbahn unterwegs ist, sorgt er allerdings seit seiner Rückkehr nach Deutschland vor gut 20 Jahren immer wieder für Probleme und Kontroversen. Unter dem Titel "Wolfsrisse an der Oste – Ausnahme oder neue Normalität?" hatte die CDU am Mittwochabend zur Bremervörder Runde eingeladen. Foto: "Wolf" von Paul Lindner via ccnull.de, CC-BY 2.0
Bremervörder Runde: Intensive Debatte über die Rückkehr des Wolfes und die Auswirkungen für die Region

Die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland und seine rapide Verbreitung innerhalb von zwei Jahrzehnten haben die Weidetierhaltung hierzulande massiv verändert. Ärger und insbesondere Verunsicherung sind unter Nutztierhaltern weit verbreitet, Ängste vor Wolfsangriffen bei nicht wenigen Menschen präsent. Die von der CDU organisierte „Bremervörder Runde“ widmete sich am Mittwochabend der Wolfsthematik.

Beim Wolf handele es sich um ein emotionales Thema ohne einfache Lösungen, moderierte Gastgeber Dirk-Frederik Stelling (CDU) die Diskussionsrunde mit fünf Podiumsgästen und gut 80 weiteren Zuhörern auf dem Saal im Hotel Daub an. Dass am Ende der über zweistündigen Debatte keine Lösung für den richtigen Umgang mit dem Raubtier stehen würde, hatte Stelling schon vorab prophezeit. Seiner Bitte um eine ebenso freie wie sachliche Diskussion wurde jedoch immerhin entsprochen.

„Nehmt den ländlichen Raum ernst. Er ist das Rückgrat des Landes.“

Alexander von Hammerstein

„Das war die sachlichste Diskussionsrunde zum Thema Wolf, die ich habe erleben dürfen“, bedankte sich beispielsweise Dr. Holger Buschmann, Vorsitzender des NABU-Landesverbandes Niedersachsen. Mit ihm geladen waren Helmut Blauth, Vizepräsident der Landesjägerschaft Niedersachsen, Jürgen Cassier, Wolfsberater im Landkreis Rotenburg, Wolfgang M. Schüßler, Bezirkssprecher der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen, sowie Alexander von Hammerstein, Vorsitzender des Landvolks Bremervörde-Zeven.

Ausreichend Spielraum für Kontroversen
Der Saal im Hotel Daub war am Mittwochabend voll besetzt.

Trotz der bemüht sachlichen Atmosphäre, bot das Thema Wolf aber naturgemäß mehr als ausreichend Raum für Meinungsverschiedenheiten und manch kontroversen Austausch. Wie der überwiegende Teil der Anwesenden über den Wolf dachte, wurde schnell deutlich.

Während der Wolfsberater Jürgen Cassier in seinem Einführungsvortrag gerade erläuterte, dass im Landkreis Rotenburg zurzeit sechs Wolfsrudel dokumentiert seien, wurde diese Information an einem der hinteren Tische trocken mit einem „Fünf zu viel“ kommentiert. Generell wurde die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland und speziell der Umgang von Politik und Behörden mit den daraus entstandenen Problemen in der abschließenden Zuschauerrunde fast ausnahmslos negativ kommentiert. Und als auf dem Podium angemerkt wurde, der Wolf wirke sich in einigen Aspekten auch positiv auf den Naturraum aus, schüttelte manch Zuhörer besonders energisch mit dem Kopf.

Insgesamt 55 Territorien in Niedersachsen

Insgesamt habe sich der Wolf in Deutschland seit dem Jahr 2000 sehr schnell ausgebreitet. Deutschlandweit seien zurzeit 253 verschiedene Wolfsterritorien dokumentiert, in Niedersachsen sind es 55 Territorien, 50 davon besetzt von Rudeln. Damit entfallen auf Niedersachsen rund 20 Prozent der gesamten Wolfspopulation in Deutschland. „Jeder von uns könnte jederzeit auf einen Wolf treffen. Melden Sie es bitte“, appellierte Cassier. Sofort kam aus den Zuschauerreihen allerdings die Erwiderung, dass dies ohnehin keinen Effekt habe.

Der Vorsitzende der CDU Bremervörde, Dirk-Frederik Stelling (rechts), moderierte die Veranstaltung. Als Experten geladen waren Dr. Holger Buschmann (von links), Wolfgang M. Schüßler, Alexander von Hammerstein, Jürgen Cassier und Helmut Blauth.

Doch auch Alexander von Hammerstein sprach sich für das Melden von Begegnungen und Wolfsrissen aus. Gleichwohl löse dies das Problem alleine selbstverständlich nicht. Vieles in der Weidetierhaltung breche zurzeit weg, beklagte von Hammerstein. Das habe gar nicht unbedingt mit den finanziellen Kosten zu tun. Zwar sei eine schnelle und unbürokratische Schadensregulierung notwendig, für Weidetierhalter sei allerdings oftmals die mentale Belastung ausschlaggebend.

Diese und weitere Sorgen von Landwirten und Landbevölkerung im Allgemeinen sieht von Hammerstein in der Bundespolitik nicht ausreichend gewürdigt. Besonders die Ampel-Koalition steht beim Landvolk zurzeit bekanntlich nicht sonderlich hoch im Kurs. Er sei jedenfalls jedes Mal froh, wenn er aus Berlin wieder wegkomme.

„Das Kind muss in Deutschland immer erst in den Brunnen gefallen sein, bevor etwas passiert“, beklagte von Hammerstein. Sein Wunsch an die Politik: „Es gibt Ängste in der Bevölkerung, die sollten wir ernst nehmen.“

Graben zwischen Stadt und Land?

Ebenfalls in die Kerbe „Stadt-Land“ schlug Wolfgang Schüßler, Bezirkssprecher der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen. „Sorgen der Kleinhalter werden in Politik und Verwaltung nicht ernst genommen“, beklagte Schüßler. Gleichzeitig erinnerte er an den Umstand, dass viele kostenintensive Schutzmaßnahmen gerade bei „kleinen“ Haltern nicht greifen würden. Dabei seien rund 80 Prozent der Schafe in Niedersachsen bei kleinen Haltern auf der Weide.

Helmut Blauth, Vizepräsident der Landesjägerschaft Niedersachsen, fordert für den Wolf ein regional differenziertes Bestandsmanagement.

Eigentlich sei die Politik ja bereits viel weiter, als die Diskussion des Abends vermuten lasse, betonte Helmut Blauth. Die bereits verabredeten politischen Vereinbarungen müssten lediglich umgesetzt werden, nahm Blauth die Ampel-Koalition in die Pflicht. Versprochen worden sei der Bevölkerung ein regional differenziertes Bestandsmanagement, wie es auch die Landesjägerschaft fordere.

Im Zuge dessen müsste der Bestand des Wolfes mit Blick auf sozioökonomische Abwägungen reguliert werden. „Er gehört hier hin, er gehört zum Naturraum“, sagt Blauth über den Wolf. Doch müsse die Frage gestellt werden: „Wo sind die Grenzen?“ „Wir brauchen keine 1.000 Wölfe“, so der erfahrene Jäger. Rund 250 seien genug. Was angesichts der aktuellen Population in Niedersachsen bedeutet: „Es sind jetzt schon 300 zu viel.“

Problematische Situation an den Deichen
Dr. Holger Buschmann, Vorsitzender des NABU-Landesverbandes Niedersachsen, ist sich sicher: die Rückkehr des Wolfes hat auch positive Aspekte für das Ökosystem.

„Die Jagd wird uns allen nicht helfen“, ist sich hingegen Dr. Holger Buschmann sicher, der inhaltlich vor dem mit zahlreichen Landwirten und Jägern besetzten Publikum den wohl schwersten Stand hatte. Ein exponentielles Wachstum sei beim Wolf zurzeit nicht mehr gegeben. Stattdessen müsse weiterhin verstärkt auf den Herdenschutz gesetzt werden. Insbesondere sei eine viel stärkere monetäre Unterstützung für die – seiner Meinung nach strukturell benachteiligte, jedoch wünschenswerte – Weidetierhaltung notwendig. „Verteidigen Sie womöglich einen Goldesel?“, wurde Buschmann mit Verweis auf Wolf-Patenschaften und Spendenkonten beispielsweise provokant gefragt. „Der goldene Esel kostet uns Geld“, erwiderte Buschmann.

Unbestritten problematisch erweist sich die Rückkehr des Wolfes für die Deichschäferei. Dort gebe es wenig Schalenwild, deshalb konzentriere sich der Wolf natürlich verstärkt auf Schafe, sagte Blauth. „Es ist ein riesiges Problem. Uns laufen die Schafhalter weg“, bemerkte Oberdeichgräfe Werner Schröder. 73 Kilometer Deich in seinem Zuständigkeitsbereich und die dahinter wohnende Bevölkerung müssten geschützt werden. Während Blauth eine Bejagung des Wolfes als Teil der Lösung sieht, bezweifelten Cassier und Buschmann, dass der Wolf den Herden künftig fernbleibe. Buschmann empfahl stattdessen speziell für die Nutzung an Deichen entwickelte Schutzzäune.

Bei der Angst in der Bevölkerung gebe es definitiv einen Unterschied zwischen Stadt und Land, betonte ein Zuhörer aus Hesedorf. „Wir sind ein riesiges Versuchsfeld in einem dicht besiedelten Land“, beklagte der Hesedorfer. Es sei in Deutschland noch kein Übergriff eines Wolfes auf einen Menschen dokumentiert, beschwichtigte Cassier. Selbst besonders neugierige und in dieser Hinsicht verhaltensauffällige Exemplare hätten kein aggressives Verhalten gegenüber Menschen gezeigt. Und sollte dies bei einem Exemplar anders sein, gebe es bereits jetzt Möglichkeiten zur Entnahme des Tieres.


Bremervörder Zeitung – Theo Bick

Weitere Presseberichte

Nach oben scrollen